Nach einer Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) machen sich 62 Prozent der Deutschen Sorgen wegen der Energiepreis-Krise. Die Frage, ob die Regierung mögliche Strom- oder Gassperren für zahlungsunfähige Kunden vorübergehend aussetzen sollte, bejahten 71 Prozent. Auch Annette von Pogrell, Sprecherin der Caritas in Niedersachsen für Soziales, Integration und Armut, sieht dringenden Handlungsbedarf.
"Wer auf die explodierenden Energiepreise nur mit ‚Think Spring, also ‘Hoffen auf den Frühling‘ antwortet, hat den Ernst der Lage noch nicht verstanden" so die Caritas-Vorständin. Man brauche eine schnelle und unumkehrbare Energiewende, weg von Öl, Gas und Kohle, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Auch die Caritas habe beschlossen bis 2030 CO2-neutral zu sein. "Aber das muss alles sozial verträglich geschehen. Sonst ziehen wir uns eine Gruppe von Klimaschutz-Hassern heran, die man in der sowieso aufgeheizten Corona-Debatte nicht auch noch gebrauchen kann", so von Pogrell.
Energieschulden und Schuldnerberatung
Menschen, für die es im Moment zur Nutzung fossiler Energie noch keine greifbare Alternative gibt, dürften angesichts der horrenden Kosten nicht im Stich gelassen werden. "Was ist mit all denjenigen, die sich schon im letzten Jahr keinen neuen energiesparenden Kühlschrank leisten konnten? Von einem E-Auto ganz zu schweigen. Was ist mit denen, die in schlecht gedämmten Wohnungen gegen den Schimmel anheizen? Schon vor der Energiekrise haben wir hier in Niedersachsen von 1,3 Millionen Menschen gesprochen, die von Armutsgefährdung betroffen sind. Wie viele es 2022 sind, kann keiner sagen" meint die Sprecherin der Caritas in Niedersachsen zu Armutsfragen.
Die Caritas unterhält in ganz Niedersachsen nicht-kommerzielle Schuldnerberatungsstellen. Und auch die schlagen Alarm. Die überwiegende Mehrzahl der Hilfesuchenden hat schon Energieschulden. Ein wichtiger guter Rat der Beratungsstellen ist: Jetzt Hilfe suchen und nicht erst warten, bis der Versorger wegen unbezahlter Rechnungen Gas- oder Strom gesperrt hat.
Strom- und Gassperren verhindern
Annette von Pogrell: "Sich beraten zu lassen, um das Schlimmste zu verhindern, ist das eine. Aber politische Kurzfrist- und Langfristmaßnahmen sind genauso nötig". Der einmalige Heizkostenzuschuss für Einkommensarme sei ein erster wichtiger Schritt. Doch der Teufel stecke im Detail. Das entsprechende Gesetz soll erst zum 1. Juni 2022 in Kraft treten. Das heißt, die Auszahlung kommt erst im Sommer. "Bis dahin haben aber viele Familien so viele Energieschulden angehäuft, dass ihnen im schlimmsten Fall eine Strom- oder Gassperre droht. Die Bundesregierung müsste also noch beschließen, dass Betroffene einen Vorschuss beantragen können sollten, um über die Runden zu kommen."
Pro-Kopf-Bonus als Langfristlösung
Für die Caritas-Vertreterin gehört der Pro-Kopf-Bonus zu den dringenden Langfrist-Maßnahmen. Er bezieht sich auf den Verkauf von Verschmutzungsrechten, den sogenannten CO2-Zertifikaten. Eine Tonne CO2 kostet im Moment 25 Euro. Dieser Preis sollte nach Meinung der Caritas bis zum Jahr 2020 auf 180 Euro pro Tonne steigen. Je mehr Einnahmen - umso größer der Energiewende-Effekt. Von Pogrell "Die Einnahmen aus dem Emissionshandel sollten allen Bürgern und Bürgerinnen monatlich zugutekommen und zwar mit einem einheitlichen Betrag, eben: eine Pro Kopf Klimadividende. Da würden diejenigen, die viel zu Fuß gehen, Energie sparen, wo sie können, von diesem Zuschuss monatlich viel mehr profitieren, als diejenigen, die große Autos viel fahren, oft in Urlaub fliegen und gerne 24 Grad in allen Räumen ihres Hauses haben. Außerdem sollte aus den Einnahmen ein Ausgleichfonds eingerichtet werden zur Abwendung besonderer sozialer Härten. Den könnten wir gerade jetzt sehr gut gebrauchten."
Dienstwagen-Privilegien abschaffen
Im niedersächsischen Landtag brachte die CDU die Erhöhung der Pendlerpauschale ins Gespräch. "Klar, in einem Flächenland wie Niedersachsen sind viele Menschen stundenlang in alten Dieseln zu ihren Arbeitsplätzen unterwegs. Für den Moment mag den Pendler:innen ein Zuschuss helfen. Langfristig müssen wir aber auch hier auf sozial gerechten Klimaschutz achten," meint Annette von Pogrell. Schon jetzt gebe es Fehlanreize, etwa durch die Subventionierung besonders großer Dienstwagen oder Steuererleichterungen, die ebenfalls nur die Gutverdienenden entlasten. Selbst wenn es keine Verbrenner mehr seien, sollten die Energievorräte auch aus regenerativem Strom nicht zum Betrieb von "Boliden der Luxusklasse" verschwendet werden. Zum Schluss wird die Caritas-Frau selbstkritisch: "Da können wir selbst bei der Caritas und den kirchlichen Einkaufsgenossenschaften wie der WKGD noch mehr tun, um die SUVs und die Limousinen von Audi, BMW, Volvo und Jeep aus den Rabatt-Angeboten für kirchliche Mitarbeitende zu entfernen."
Weitere Informationen: Die Beratungsstellen der Caritas in Niedersachsen sind zu erreichen unter:
- https://www.caritas-dicvhildesheim.de/hilfe-amp-beratung/schuldnerberatung/schuldner-und-insolvenzberatungsstellen
- https://www.caritas-os.de/themen/zukunfttrotzschulden/angebote/schuldnerberatung oder
- Adressen (lcv-oldenburg.de
Rückfragen bitte an Svenja Koch
Stabsstelle Kommunikation
Caritasverband für die Diözese Hildesheim e.V.
Moritzberger Weg 1, 31139 Hildesheim