Haben durch die Studie den Beleg für ihr Gefühl bekommen: Dr. Gerhard Tepe, Dr. Cornelia Kammann, Prof Dr. Gerald Eisenkopf und Matthias WarnkingFoto: Kattinger
Caritas-Einrichtungen der Behindertenhilfe in Niedersachsen werden durch sogenannte "Unterstützungsprozesse" immer mehr belastet. Das haben der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Caritas-Behindertenhilfe, Dr. Gerhard Tepe, sowie Fachbereichsleiterin Dr. Cornelia Kammann (Osnabrück), am Montag, 12. August, vor der Presse betont.
Zwar gäbe es Bestimmungen, die im Sinne der Menschen mit Behinderung sehr sinnvoll seien, so Tepe und Kammann im Vechtaer ‚Haus der Caritas‘. Andere seien hingegen unsinnig oder in der Tiefe ihrer Vorschriften nicht gerechtfertigt, lautete die Kritik. In jedem Fall aber müssten den Einrichtungen die dafür entstehenden materiellen und personellen Kosten ersetzt werden, lautet die zentrale Forderung.
Beleg für den Unmut ist eine Studie von Professor Dr. Gerald Eisenkopf von der Universität Vechta. Sein Ergebnis: Im Vergleich der beiden Jahre 2010 und 2017 habe es landesweit eine "überproportionale Kostensteigerung" bei Leistungen der Behindertenhilfe gegeben, die nicht zur Arbeit am Menschen gehören. Damit sei beispielsweise gemeint, dass alle Häuser einen Beauftragten für Verkehrswegeschutz bräuchten, für Lagersicherheit, Brandschutz, Bauvorhaben, Fremdfirmen, elektrische Anlagen oder Spielplätze.
Der Anstieg der Kosten hierfür liege weit höher als der bei Verbraucherpreisen oder der Lohnkostenentwicklung, so Eisenkopf.
Wenn die Kostenkurve weiter nach oben gehe, könne sie für kleinere Einrichtungen existenzbedrohend werden, fürchtet der Wissenschaftler. Hinzu komme eine "erhebliche Unsicherheit", wie mit immer neuen Vorschriften umgegangen werden könne und solle.
Für unsinnig hält der Geschäftsführer des Andreaswerkes Vechta, Matthias Warnking, beispielsweise die Verordnung, dass dem Arbeitgeber von Mitarbeitern zweimal jährlich der gültige Führerschein vorgelegt werden müsse. Das sei für die Mitarbeiter zum einen demütigend, zum anderen könne dieser beispielsweise am Tag nach der Kontrolle durch die Polizei einbehalten werden, ohne dass die Vorgesetzten dies merken würden.
Wichtig und für die Menschen mit Behinderung wertvoll sei beispielsweise, dass im Blick auf sexuellem Missbrauch ein polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt werden müsse, betonte Warnking. Das Andreaswerk Vechta verfügt über 2.000 Plätze und beschäftigt 500 Mitarbeiter.
An der Studie teilgenommen haben 13 Einrichtungs-Träger der Behindertenhilfe aus Niedersachsen mit 3.000 Mitarbeitenden und 10.000 Männern, Frauen und Kindern, die durch sie betreut werden. Unter anderem das Andreaswerk Vechta sowie der Caritasverein Altenoythe.
Zur Arbeitsgemeinschaft der Caritas-Behindertenhilfe in Niedersachsen gehören insgesamt 30 Träger mit 170 Einrichtungen und 5.300 Mitarbeitenden. Rund 15.000 Plätze werden dort für Menschen mit Behinderung angeboten.